· 

Modehandel: Stammkundschaft oft überaltert

Steigende Preise, demografischer Wandel, sinkende Modeausgaben der Verbraucher, Nachhaltigkeitsthematik – die Branche steht vor vielen Herausforderungen. Die Unternehmensberatung Hachmeister + Partner hat in einer Studie die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen unter die Lupe genommen. 

 

In dem folgenden Interview gibt Michael Hauf, Senior Partner bei h+p, Einblicke in die wichtigsten Ergebnisse der Studie ‚Entwicklungen im Fashionhandel 2023 und Herausforderungen für die nächsten Jahre‘. Die Unternehmensberatung h+p ist langjähriger KompetenzPartner des BTE Handelsverband Textil, Schuhe, Lederwaren. 

 

 

Eine große Herausforderung für den Modehandel ist laut Ihrer Analyse der demografische Wandel. Warum?

In den letzten Jahren haben sich die größeren Fachgeschäfte (Platzhirsche & Leuchtturmhäuser) als recht krisenstabil erwiesen, besser als mancher Filialist. Dieses im Kern stationär getriebene Format war immer flexibel, sehr kunden- und service-orientiert und hat auch die Chancen genutzt, hochwertigere Ware zu verkaufen. Die Kundinnen und Kunden, die das am besten goutieren, sind die älteren Zielgruppen. Diese werden schnell zu Stammkunden der Händler. Von diesen älteren Käufern haben viele Händler profitiert und mit ihnen viele traditionelle Marken. Leider ist es dann vielen Modehändlern nicht gelungen, sich parallel so weit zu verjüngen bzw. zu modernisieren. Dadurch hat sich das durchschnittliche Alter ihrer Käuferschaft immer weiter erhöht. Wir erkennen hier eine Tendenz zur Überalterung der Stammkundschaft. 

 

Warum ist das Thema so interessant und relevant?

Ältere Kunden haben ein größeres Einkommen oder Vermögen. Die Ausgaben erhöhen sich mit jedem Lebensjahr. Ab 70 Jahren sinken die Ausgaben jedoch wieder, ab 75 sogar massiv! Wenn die Stammkunden immer älter werden, fallen die Handelsunternehmen „automatisch“ in eine Demografie-Falle! Selbst wenn sie jüngere Zielgruppen gewinnen können, kaufen diese nicht so hoch anteilig stationär. Bis zu 40 Prozent kaufen ausschließlich online. Dadurch wird der Kuchen durch die strukturelle Alterung der Stammkäufer immer kleiner. Die Händler müssen mehr neue Kunden gewinnen als sie altersbedingt verlieren. 

 

Auch in der Modebranche sind die Preise gestiegen. Welche Auswirkungen hat dies auf das Kundenverhalten in den verschiedenen Segmenten?

Die Modebranche hat relativ spät auf die Preissteigerungen reagiert. Die Teuerungen in der Beschaffung, beim Transport, in der Produktion usw. kamen nicht sofort im Handel an. 2022 sind die Preise für Mode nur um 2,1 Prozent gestiegen (zum Vergleich: bei Lebensmittel lag die Rate z.B. bei 11,3 Prozent). In diesem Jahr verteuerten sich Modeartikel bisher um 5 bis 10 Prozent. Eine weitere Verteuerungswelle kommt aktuell mit der neuen Herbstware auf die Verbraucher zu. Wir können erkennen, dass die Verbraucher weniger Teile kaufen und ab und zu die Marke wechseln, um günstiger einkaufen zu können. Das betrifft dann die Mitte des Marktes besonders. Die Niedrigpreis-Segmente können sich durch neue Kunden aus der Mitte sogar halten. Relativ stabil sind die Premiumbereiche. Die spüren weniger die Kaufzurückhaltung, wenn sie die Preise nicht radikal erhöhen. Der Luxus-Sektor ist sogar völlig preisunempfindlich und wächst weiter. 

 

Viele Marken hinterfragen derzeit die eigene Positionierung bezüglich Modegrad und Preis. Was sollte dabei beachtet werden?

Für viele Marken wird die Situation herausfordernd. Der profitable Wholesale wächst nicht mehr! Es gibt einige „kranke“ Key Accounts. Kleine Händler sterben leise weg. Mit dem E-Commerce diese Lücke (rentabel) zu schließen, ist schwerer als in der Pandemie gedacht. Stationärer Fullprice-Retail ist für manche Marken nicht sinnvoll oder zu risikoreich. Deshalb müssen sich viele Marken die Frage stellen, ob sie noch richtig positioniert sind. Ist es richtig, höherwertiger zu werden? Sich zu verjüngen? Außerdem drängt das Thema Nachhaltigkeit. Vom Gesetzgeber getrieben, muss zeitnah ein Konzept dazu entwickelt werden, mit welcher Strategie und Positionierung eine Marke zukünftig agieren will. Die bald erforderlichen Transparenz-Vorschriften im Berichtswesen über die CSRD werden vielen noch Kopfzerbrechen bereiten. 

 

Wie kann h+p in diesem Themenkomplex unterstützen?

h+p ist im Markt engstens vernetzt. Wir kennen alle Themen, die den Handel und die Industrie gerade bewegen. Und wir kennen die Überlegungen, die die Entscheider gerade in ihren Köpfen haben und auf den Weg bringen. Dank unserer umfänglichen Datenbank können wir Veränderungen des Marktes bis zum einzelnen Artikel nachvollziehen. Wir sehen, was erfolgreich ist und was nicht und können die Unternehmen mit unserer Expertise bei strategischer Neuorientierung oder Restrukturierung unterstützen. 

 

Welche Entwicklungen gibt es darüber hinaus in der Branche?

Leider müssen wir feststellen, dass die Modebranche langfristig nicht zu den Gewinnern zählen wird. Der Anteil am verfügbaren Einkommen für Mode sinkt zwar langsam, aber er sinkt. Das wird zu einem verschärften Wettbewerb führen, den nicht alle Unternehmen gewinnen können. Die Kosten sind stark gestiegen, auch für das Personal und die Energie. Wir sehen den zunehmenden Leerstand in vielen Städten, den auch sinkende Mieten nicht aufhalten können. Wenn in den Toplagen große Kaufhaus-Immobilien jahrelang leer stehen und wenn sich kleine Ladenlokale nicht an attraktive Händler vermieten lassen, dann leidet darunter das Kauferlebnis in der Innenstadt. Letztendlich hat dann auch der Gastronom um die Ecke weniger Gäste. 

 

Der E-Commerce-Bereich wird sich im nächsten Jahr wieder stabilisieren und etwa 35 bis 40 Prozent des Marktvolumens abgreifen. Wer sich dem Thema Omnichanneling nicht jetzt stellt, wird zukünftig nicht mehr erfolgreich sein.

 

Zu allem Überfluss rächen sich jetzt auch Fehler, weil mancher Händler in der Vergangenheit auf der Seite des Verkaufspersonals gespart hat. Der Beruf ist oft nicht (mehr) attraktiv und das Gehalt (eher) gering. Es ist heute schwer, freie Stellen im Verkauf mit guten Mitarbeitern zu besetzen. Zudem ist durch die Krisen auch die Attraktivität der Fashion Retailer als sichere Arbeitgeber gesunken. Hier besteht Handlungsbedarf!